Dafür habe ich keine Zeit – schnell gesagt, oder? Dabei sollte es eher heißen: Ich nehme mir keine Zeit. Wir alle haben jeden Tag genau 24 Stunden zur Verfügung. Mit Schlafen und Arbeiten ist ein guter Teil bereits besetzt. Und doch würde ich behaupten, dass jeder Mensch zumindest ein bis zwei Stunden zur Verfügung hat, über die er selbst bestimmen kann. Genau da liegt das Geheimnis, das eigentlich gar keins ist: Man muss sich die Zeit fürs Schreiben nehmen.
Interessanterweise habe ich erst mit dem Schreiben angefangen, als absehbar war, dass ich schon bald weniger davon haben werde: Ich war mit meiner ersten Tochter schwanger. Vielleicht war es meine innere Schreibuhr, die mir gesagt hat: Wenn du jetzt nicht anfängst und das Schreiben in dein Leben einflechtest, dann kannst du gleich weitere zwanzig Jahre warten, bis die Kinder auf eigenen Beinen stehen. Mein erstes Buch mit 50? Nein, danke.
Das Geheimnis heißt Routine
Zeit fürs Schreiben schaffe ich mir mit Routine. Eine Viertelstunde pro Tag reicht. Klingt machbar, oder? Das dachte sich mein Kopf auch. Meistens wurde aus der Viertelstunde eine Stunde oder sogar mehr. Zugegeben, ich war damals nicht sehr produktiv. Am liebsten las ich Schreibratgeber und überarbeitete am Vortag Geschriebenes, sodass ich kaum vorwärtskam. An der Rohfassung meines allerersten Buches, das übrigens nie jemand lesen wird, habe ich über ein Jahr getüftelt. Trotzdem ist sie unbrauchbar. Aber ich bin dran geblieben, habe ein weiteres Projekt gestartet und nach der Geburt meiner Tochter immer wieder kleine Zeitfenster gefunden, um daran zu arbeiten.
Schon bald hat sich so etwas wie eine Gewohnheit entwickelt. Ich schrieb immer morgens um sechs, so lange, bis meine Tochter aufwachte. Das lief für lange Zeit gut. Es war zwar etwas gewöhnungsbedürftig, weil ich zuvor dazu neigte zu denken, es lohne sich nicht mehr, mich hinzusetzen, weil sie ja jeden Moment nach mir rufen könnte. Nachdem ich mich aber x-mal genervt habe, wenn sie bis halb acht schliefund ich eineinhalb Stunden gehabt hätte, um etwas zu machen, schrieb ich einfach. Manchmal waren es dreißig Minuten, manchmal zwei Stunden. Und die Seitenzahl wuchs.
Und dann plötzlich der Schreck: Mein liebes Kind wachte von einem Tag auf den anderen immer vor sechs auf. Meine Schreibzeit war weg, die Routine auch. Es dauerte eine Woche, bis ich etwas Wichtiges erkannt habe: Ich muss nicht frühmorgens schreiben, auch wenn ich glaubte, nur zu der Zeit könnte ich produktiv sein. Plötzlich klappte es auch nachmittags um drei oder abends um neun. Es ist ein Trugschluss, dass man fürs Schreiben den perfekten Zeitpunkt braucht und wenn dieser verflossen ist, geht’s halt für heute nicht mehr. Ich habe in der Not gelernt, immer dann zu schreiben, wenn ich Zeit dafür habe.
Zeit schaffen
In einer ähnlichen Situation fand ich mich nach der Geburt meiner zweiten Tochter wieder. Die beiden Kinder hatten einen völlig unterschiedlichen Schlafrhythmus, und die Ältere hatte sich für immer vom Mittagsschlaf verabschiedet. Schreibzeit wieder futsch. Nach ein paar Wochen ohne meine Geschichten wurde ich ziemlich mürbe. Dann habe ich zu meinem Nicht-Mann gesagt: Um acht Uhr abends, wenn die Kinder im Bett sind (das heißt nicht, dass sie auch schliefen), bist du zuständig. Dafür übernehme ich ab vier Uhr morgens. Ich bin kein Abendmensch und doch habe ich es irgendwie hinbekommen.
Natürlich gibt es manchmal Tage, da geht nichts mehr. Und manchmal möchte man etwas anderes machen. Malen. Klavier spielen. Ein Ausflug mit der Familie. Urlaub ohne Laptop im Gepäck. Das ist okay. Wichtig ist, nach der Pause wieder in die Routine zu finden und dranzubleiben. Denn wenn sie einmal da war, kann sie auch wieder hergestellt werden.
Dieser Post ist Teil der Serie »Ein Blick hinter den Buchdeckel«, in dem du einen Einblick in das Leben einer Autorin erhältst.